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Soziologe Miegel sieht Ende des Wachstums erreicht

Zeulenroda (dpa/th) - Die Wachstumsideologie lässt sich für den Sozialwissenschaftler Meinhard Miegel in Deutschland nicht weiter aufrechterhalten. "Wir müssen uns auf eine länger anhaltende Phase von stagnierendem oder sogar sinkendem Wohlstand einrichten", sagte der renommierte Publizist der Nachrichtenagentur dpa am Rande des Unternehmerforums "Arena für Nachhaltigkeit" in Zeulenroda. In absehbarer Zeit müsse mit sinkenden Einkommen und Renten gerechnet werden. Das könnte zu sozialen Unruhen führen, wenn die Menschen weiterhin ihr Lebensglück allein auf Wohlstand gründeten. Deshalb müsse künftig Kultur einen grüßeren Stellenwert einnehmen.

Bislang sei Wohlstand fast ausschließlich auf materielle Güter ausgerichtet. Das könne künftig zu großer Unzufriedenheit führen. Die Lösung sieht Miegel darin, die Zufriedenheit stärker aus Immateriellem zu schöpfen. "Es geht um die Fähigkeit, sich an etwas Schönem, an Natur, Musik, Kunst und Hobbys zu erfreuen." Allerdings setze dies ein gewisses Maß an Bildung voraus. "Und da ist es in unserer Gesellschaft nicht zum Besten bestellt."

Um soziale Unruhen bei ausbleibendem Wachstum zu verhindern, muss für Miegel deshalb die Chancengleichheit in der Bildung hergestellt werden. Aber auch bei den Finanzen setzt sich Miegel, der die Stiftung Denkwerk Zukunft in Bonn leitet, für eine Umverteilung ein. "Wenn der Gesamtkuchen kleiner wird, können nicht die Stärksten auf ihrem bisherigen Stück beharren." In diese Rechnung müssten auch die kommenden Generationen einbezogen werden. Mit der Wachstumsideologie seien natürliche Ressourcen nicht nur gebraucht, sondern verbraucht worden. "Wir befinden uns in der Situation von Erben, die einen überschuldeten Nachlass angetreten haben", sagte der Wissenschaftler. Falls es in den kommenden Jahren noch Wachstum gebe, müssten die Gelder dafür verwendet werden, die Schäden des vergangenen Wachstums zu reparieren.

Deutsche Presse Agentur dpa, 17. April 2010

Interview: Andreas Hummel